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Wenn die letzte Biomilch-Quelle versiegt

Ein Gastbeitrag von Achim Kitiratschky für unseren Partnerbetrieb Bolleschlotzer

Caroline Corsten Bolleschotzer

Bundesweit protestieren die Bäuerinnen und Bauern gegen die Verschlechterung ihrer Produktionsbedingungen. Derweil zeigt sich im Münstertal im kleinen, was nicht gut läuft in der Landwirtschaft.

Es ist das Sinnbild für ein natürliches Verhältnis zwischen Erzeugern und Verbrauchern:
Meine Milch hole ich direkt vom Bauernhof. Gleich nach dem Melken lasse ich mir die frische, am besten noch lauwarme Leckerei in meine mitgebrachte Flasche füllen. Da weiß ich, wo’s herkommt, und den lästigen Verpackungsmüll spare ich mir auch. Der Bauer spart sich das Haltbarmachen und die Weiterverarbeitung, und wir alle sparen uns den Transport der Ware von der Kuh zur Molkerei und dann wieder zurück zu uns.

Von diesem Ideal einer kurzen, klimafreundlichen und nachhaltigen Nahrungskette müssen sich die Menschen im Münstertal bald verabschieden. Simon Zimmermann vom Bioland-Bauernhof „S’Bure“ hat angekündigt, seine Stalltore im Februar zu schließen – zumindest, was die Milchwirtschaft angeht und damit eben auch die Direktvermarktung der Rohmilch. Vorausgegangen war die Ankündigung des zweiten Milch produzierenden Bauernhofs im Münstertäler Kernort, seinen Betrieb in Bälde einzustellen, da keine Nachfolge gefunden werden kann. Damit hätte sich die Abholung der Milch im Münstertal durch die Milchzentrale nicht mehr gelohnt – oder Zimmermann hätte die Kosten alleine stemmen müssen. Über 500 Euro im Monat wären das zusätzlich gewesen, aber das rechnet sich nicht. Weiter oben im Münstertal, in Stohren unterhalb vom Schauinsland, gibt es zwar noch ein paar Höfe, die Milch produzieren, doch deren Abholung erfolgt nicht von der Talseite aus, sondern von
Freiburger Seite aus über den Berg.

Simon Zimmermann hat bereits begonnen, seinen Hof von der Milch- auf eine so genannte Ammenwirtschaft umzustellen. Seine Kühe geben ihre Milch bald nicht mehr den Menschen, sondern den Kälbern von anderen Milchkühen, die damit nicht als Waisen aufwachsen, sondern einige Wochen oder Monate von ihren „Ammen“ gesäugt werden. Dass damit für die Menschen im Münstertal die letzte Quelle für Rohmilch in Bio-Qualität versiegt, konnte ihn nicht von seiner Entscheidung abbringen. „Das ist eine einfache betriebswirtschaftliche Rechnung“, sagt er, der die Landwirtschaft wie rund die Hälfte aller Bäuerinnen und Bauern in Deutschland nur im Nebenerwerb betreibt.

Besonders betroffen vom Ende des letzten Bio-Milchbauern im Münstertal ist die ebenfalls in der Gemeinde ansässige Bio-Eismanufaktur „Bolleschlotzer“, die die Grundzutat für ihre Milcheis-Sorten fast auschließlich von „S’Bure“ bezieht. „Das ist sehr schade“, sagt die Inhaberin Caroline Corsten, „denn besser konnten wir es
eigentlich nicht haben.“ Als Absolventin der Slow Food Universität im italienischen Pollenzo produziert sie ihr Eis nach einfachen Grundsätzen. „So wenig Zutaten wie nötig und so viel Geschmack wie möglich“, ist einer davon, ein anderer lautet: „Kurze Wege und die Lebensmittel so unverarbeitet wie möglich.“ Bei der Eisproduktion müssen die Zutaten sowieso erhitzt werden, also ist die Verwendung von unverarbeiteter Rohmilch vom örtlichen Biobauern naheliegend. Das wird in Zukunft nicht mehr möglich sein. Zwar gibt es rund ums Münstertal noch ein paar Bio-Milchbauern, etwa in Horben oder Hofsgrund, doch mal abgesehen von hygienischen Auflagen beim Transport des sensiblen Rohstoffs sind da natürlich die nun entstehenden Transportkosten für die längeren Wege. „Das ist für uns nicht machbar“, so Caroline Corsten. Die Milch für’s Bolleschlotzer-Eis wird in Zukunft von der Schwarzwaldmilch kommen. „Dann ist sie für die Haltbarkeit schon einmal durcherhitzt worden und etliche Kilometer durch die Gegend gefahren, ehe wir anfangen, damit zu arbeiten.“ Am Anfang wollte Caroline ihren Nachbarn Simon noch zum Weitermachen überreden. Aus der Schweiz oder Österreich weiß sie, dass kleinere Höfe wie „S’Bure“ dort einfacher überleben könnten. Vermutlich liegt das aber daran, dass in beiden Ländern die Beihilfen für die Landwirtschaft im allgemeinen und der Viehhaltung im besonderen höher ausfallen als hierzulande. Zudem schützt die Schweiz ihre Landwirte durch Zölle. So können kleinere Betriebe in den Alpenländern zwar besser bestehen, aber von den Subventionen profitieren auch dort immer die Großen.

Der langjährige Trend, also der Strukturwandel in der Milchwirtschaft wird sich überall fortsetzen: die Zahl der Milchbetriebe wird weiter zurückgehen, vornehmlich wegen mangelnder Nachfolge, und gleichzeitig wird die Zahl der Kühe pro Halter steigen. Große Unternehmen werden weiter wachsen, und dank ihrer Größe profitieren sie besser von den Subventionen als der kleine Bioland-Hof im Münstertal. Schließlich orientieren sich die Beihilfen in erster Linie an der Größe der bewirtschafteten Fläche.

Die lauten Proteste mit den Traktoren haben inzwischen bewirkt, dass der politische Wille zu einer besseren Unterstützung des bäuerlichen Berufsstands wieder zugenommen hat. Dabei sollte man allerdings nicht außer acht lassen, dass die häufig herangezogene Nahrungssicherheit der Bevölkerung nur die eine Seite der Medaille ist. Trotz steigender Produktionszahlen reicht die deutsche Agrarproduktion schon seit vielen Jahren nicht mehr zur Deckung der Nachfrage, der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln liegt in Deutschland beständig unter 100 Prozent. Zahlreiche Lebensmittel müssen importiert werden, um das Konsumverhalten zu befriedigen. Auf der anderen Seite wird etwa die Hälfte der in Deutschland erzeugten Milch ins Ausland
exportiert. Eine Möglichkeit, einen kleinen Biohof wie „S’Bure“ im Münstertal besser zu
unterstützen, wäre natürlich ein Einsatz von Subventionen nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern gezielt zum Erhalt einer kleinteiligen Struktur und zur Förderung der Vielfalt im Agrarbereich. Doch selbst wenn die politischen Entscheidungsträger bereit wären, diesen Weg zu gehen – das letzte Wort haben immer wir Verbraucherinnen und Verbraucher. „Die Wertschätzung unserer Lebensmittel und damit der Landwirtschaft kann nur durch eine angemessene Bezahlung erfolgen“, davon ist Caroline Corsten überzeugt. Die Einführung eines „Tierwohl-Cents“ zur Unterstützung der heimischen Viehwirtschaft kann da nur ein Anfang sein.

Am Ende wird aber kein Weg daran vorbei führen, das eigene Konsumverhalten gründlich zu überdenken.

Text: Achim Kitiratschky
Fotos: Frank Corsten

Foto 1
Um ihre Milch geht’s: Simon Zimmermann füttert seine Kühe

Foto 2
Caroline Corsten von der Eismanufaktur Bolleschlotzer

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