Gemeinwohl auf dem Teller – Ernährungssicherheit neu gedacht
Vor einigen Wochen hatten wir unsere erste Online-Veranstaltung mit Anna Deparnay-Grunenberg (Bündnis 90 / Die Grünen). Zum Thema „Gemeinwohl auf dem Teller: Ernährungssicherheit neu gedacht.“ diskutierten von unserer Seite Christian Hiß, Michael Hiß und Emilie Fus mit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Brandaktuell und heiße Diskussionen um das Thema Ernährungssicherheit, entfacht durch Corona, zeigen sich […]
Vor einigen Wochen hatten wir unsere erste Online-Veranstaltung mit Anna Deparnay-Grunenberg (Bündnis 90 / Die Grünen). Zum Thema „Gemeinwohl auf dem Teller: Ernährungssicherheit neu gedacht.“ diskutierten von unserer Seite Christian Hiß, Michael Hiß und Emilie Fus mit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments.
Brandaktuell und heiße Diskussionen um das Thema Ernährungssicherheit, entfacht durch Corona, zeigen sich an dem Beispiel der Saisonarbeitskräfte. So schreibt Anna Deparnay-Grunenberg in ihrem Beitrag „Erstmals schien sich die Öffentlichkeit auch dafür zu interessieren unter welchen Bedingungen diese Arbeitskräfte schuften, denn damit eng verknüpft ist die Antwort auf die Frage warum sie so entsetzlich schwer zu ersetzen sind.“.
Christian Hiß umriss das Problem dabei sehr eindrücklich: „Ein Landwirt kann heute 150 Menschen ernähren, vor 50 Jahren waren das 15 und vor 100 Jahren waren es fünf.“ Gefördert durch die Industrialisierung der Landwirtschaft in der Nachkriegszeit, um die Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherzustellen, wurde dies auch das oberste Ziel der GAP.
„Professionalisierung und Industrialisierung der Prozesse, Belohnung für Bewirtschaftung großer Flächen etc. wurde groß geschrieben.“ So Christian Hiß.
Dass die heutige Landwirtschaft mehr Aufgaben erfüllen muss wird immer klarer und stellt uns vor die nächste Herausforderung. Woher wissen wir was auf unsere Teller kommt?
„Das Samenkorn wurde in China vermehrt, die hybride Zuchtsorte ist im Eigentum eines Konzerns, die Jungpflanze wird in Holland oder am Niederrhein angezogen, der Torf stammt aus russischen Mooren, die Energie stammt aus fossilen Quellen und damit oft von der arabischen Halbinsel, der Dünger wird aus Osteuropa geliefert und (Saison-) Arbeitskräfte, die schließlich auf unseren Ackern die Kohlrabi ernten, kommen ebenfalls aus Osteuropa“
Das eindrückliche Beispiel der Reise eines Kohlrabis lässt uns erahnen, wie wenig wir heute noch über die Herkunft unserer Lebensmittel wissen und wie abhängig wir von globalen Strukturen sind. Auch Anna Deparnay-Grunenberg erinnert dabei an die Aufgaben der Politik: „Der Konsument hat oft gar nicht die notwendigen Einblicke in die Produktion und Herkunft der Lebensmittel und zudem ist es natürlich eine Zumutung, die Verantwortung auf den Bürger abzuwälzen.“.
Das gewobene Netz aus Industrialisierung und Globalisierung führt uns vor immer größere Herausforderungen. Immense Einbußen an Vielfalt führen in eine abnehmende Resilienz der Landwirtschaft und die „Risiken, Schäden und Verluste werden auf Gesellschaft und Zukunft externalisiert“, so Christian Hiß.
„Der Schlüssel, um unsere Landwirtschaft resistenter, ökologischer und sozialverträglicher zu gestalten“, liegt für Frau Deparnay-Grunenberg darin, wenn „öffentliches Geld tatsächlich in öffentliche Leistungen fließen“. Das heißt, das Geld wird entsprechend der Leistung des Betriebes für das Allgemeinwohl verteilt – ein Ansatz, um welchen wir uns schon seit Jahren unter anderem mit unserem Forschungsprojekt Richtig Rechnen bemühen. Somit verweist Frau Deparnay-Grunenberg ausdrücklich auf die Möglichkeiten der GAP und schreibt: „Um mehr Gemeinwohl in die Landwirtschaft zu bringen und somit auf unsere Teller, sollten die Fördermittel der GAP den sozial-ökologischen Leistungen der Betriebe entsprechend verteilt werden und nicht hauptsächlich nach Fläche.“ Dabei soll eindeutig „keine Gegenüberstellung von kleinen und großen Betrieben im Sinne von Gut und Böse“ erfolgen, „denn man kann auf einer kleinen oder großen Fläche schlecht oder gut wirtschaften.“, so Christian Hiß.
Die Devise: „Nachhaltiges Wirtschaften muss analysiert, bewertet, vergütet und bilanziert werden“ würde den Verlust von z.B. Bodenfruchtbarkeit verringern und langfristigen Einnahmeverlusten entgegenwirken.
Anna Deparnay-Grunenberg fordert eine „Forschung, die nicht nur beschreibt, sondern Transformationen katalysiert und Stakeholder partizipativ in diesen Prozess miteinbindet. Diese transformative Forschung ist dringend von Nöten, damit alternative Konzepte für Verteilung von Fördermitteln aus der GAP künftig realisierbar und somit im politischen Diskurs gestärkt werden.“.
Dabei nimmt sie Bezug auf in Zusammenarbeit mit uns angedachte Realexperimente, die eine Neuverteilung der Gelder anhand von sozial-ökologischen Leistungen verteilt.
Abschließend appelliert Frau Deparnay-Grunenberg an die Konsumenten. Ein Appell, welchen wir gerne hier nochmal aufgreifen und abschließend wirken lassen:
„Neben der Anpassung des eignen Konsumverhaltens, des Engagements in genannten und ähnlichen Initiativen und des Anschreibens und Drängens der eigenen Abgeordneten, möchte ich auf die Konferenz zur Zukunft Europas hinweisen. Hier sollen sich die Bürger*innen mit ihren Ideen und Gedanken zur Gestaltung der Zukunft einbringen. Mehr Partizipation und Einmischung ist gefragt und es ist die Aufgabe der Zivilgesellschaft sie einzufordern und die Aufgabe der Politik und Forschung sie zu gewährleisten!“
Vielen Dank Frau Deparnay-Grunenberg für diesen anregenden Austausch mit Ihnen!
Wenn Sie Ihren Artikel in voller Länge lesen möchten, dann folgen Sie gerne diesem Link:https://anna.deparnay-grunenberg.eu/2020/05/06/gemeinwohl-auf-den-teller-ernaehrungssicherheit-neu-gedacht/