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Die Nachhaltigkeitsdebatte zwischen bio und konventionell

Die Diskussion, ob ökologisch zertifizierte Betriebe nachhaltiger wirtschaften als konventionelle Betriebe, wird nach all den Jahren nicht mehr nur zwischen Fachleuten geführt, sondern ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Immer mehr Menschen beschäftigen sich damit, was einzelne Siegel überhaupt bedeuten und hinterfragen sie kritisch. Die Tatsache, dass „regional“ mittlerweile als stärkeres Kaufargument für Konsumenten gilt […]

Die Diskussion, ob ökologisch zertifizierte Betriebe nachhaltiger wirtschaften als konventionelle Betriebe, wird nach all den Jahren nicht mehr nur zwischen Fachleuten geführt, sondern ist in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Immer mehr Menschen beschäftigen sich damit, was einzelne Siegel überhaupt bedeuten und hinterfragen sie kritisch. Die Tatsache, dass „regional“ mittlerweile als stärkeres Kaufargument für Konsumenten gilt als „Bio“, ist fraglos ein Beweis dafür, dass die ökologische Zertifizierung der Mehrheit von Menschen, die sich für ein bewusstes Kaufverhalten entscheiden, in Bezug auf Nachhaltigkeit nicht genügt. Dennoch ist bei Vertretern der Bio-Szene ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein in Bezug auf die eigene Nachhaltigkeit wahrnehmbar, insbesondere im Vergleich zu konventionellen Kollegen. Woran liegt das?  

Ein Punkt ist mit Sicherheit die Tatsache, dass es, in gewissem Sinn, nur ein entweder oder gibt. Entweder zertifiziere ich meinen Betrieb oder nicht. Entweder gehöre ich zum einen Lager oder eben zum anderen. Dieses Modell aus zwei Polen verleitet sehr schnell dazu, dem einen Lager Charakteristika zuzuschreiben und dem anderen das jeweilige Gegenteil. Die einen arbeiten nachhaltig und die anderen nicht, so der (naheliegende) Trugschluss. Das Hauptproblem dieses Modells: Die Zertifizierungskriterien bspw. des EG-Bio-Siegels decken lediglich einen Teil dessen ab, was zur nachhaltigen Landwirtschaft gehört. Dinge wie wirtschaftliche Resilienz, ein Begriff, der in den letzten Wochen stärker in den Vordergrund gerückt ist, die Ausbildung von Fachkräften oder eben die angesprochene regionale Vernetzung beim Einkauf von Produktionsmitteln und beim Verkauf der eigenen Ware sind ebenfalls wichtige Bausteine für ein zukunftsfähiges, nachhaltiges Wirtschaften. Sie werden bei den gängigen Zertifizierungen aber gar nicht oder nur sehr gering berücksichtigt. Die ökologische Landwirtschaft kann also keineswegs für sich in Anspruch nehmen, per se nachhaltiger zu sein als konventionelle Kollegen. Sie mag speziell in Bereichen der Ökologie, sei es beim Tierwohl oder beim Pflanzenschutz, durchschnittlich Vorteile gegenüber konventionellen Betrieben haben. Bei einer Vielzahl, wenn nicht gar der Mehrheit der für Nachhaltigkeit relevanten Aspekte gibt die Zertifizierung aber keinerlei Aufschluss über die Leistungen der einzelnen Betriebe. 

Das Problem, das die konventionelle Landwirtschaft (bzw. die konventionellen Betriebe mit Fokus auf nachhaltige Bewirtschaftung) also hat, ist nicht, dass sie im sozial-ökologischen Bereich per se weniger leistet. Das Problem ist, dass ihr die Möglichkeit fehlt, die erbrachten Leistungen zu kommunizieren. Es müssen also Instrumente entwickelt werden, die die Bewertung von sozial-ökologischen Leistungen umfassend in den Blick nehmen, sodass konventionelle Betriebe überhaupt erst die Chance bekommen, objektiv nachzuweisen, was sie leisten. Auch Bio-Betriebe können hiervon profitieren: Sie können bereits bestehende Zertifikate ergänzen, Leistungen transparent machen und eine vollständig nachhaltige Betriebsentwicklung besser planen. 

 

Eric Waibel
 

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