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Urbane Selbstversorgung – Agronauten informieren

Beispiele urbaner Selbstversorgung Agronauten verbinden in Kirchzarten umfassende Information mit kulinarischem Genuss. Steffi Kolarov erklärt die Erdmiete, in der Wintergemüse völlig ohne fremde Energie gelagert werden kann. Foto: Erich Krieger KIRCHZARTEN. Biodiversität in all ihren Aspekten war das Thema einer Veranstaltung in Burg am Wald. Die Agronauten, eine wissenschaftliche Forschungsgesellschaft für Agrar- und Ernährungswirtschaft mit Sitz in […]

Beispiele urbaner Selbstversorgung

Agronauten verbinden in Kirchzarten umfassende Information mit kulinarischem Genuss.

  1. Steffi Kolarov erklärt die Erdmiete, in der Wintergemüse völlig ohne fremde Energie gelagert werden kann. Foto: Erich Krieger

KIRCHZARTEN. Biodiversität in all ihren Aspekten war das Thema einer Veranstaltung in Burg am Wald. Die Agronauten, eine wissenschaftliche Forschungsgesellschaft für Agrar- und Ernährungswirtschaft mit Sitz in Emmendingen, hatte auf die Anbaufelder des Vereins Lebensgarten Dreisamtal eingeladen.

In diesem Schaugarten für Kulturpflanzenvielfalt werden auf zwei Hektar Ackerfläche in der nunmehr dritten Saison alte und samenfeste Gemüsesorten nach den bio-dynamischen Demeter-Richtlinien fachmännisch angebaut und gepflegt. Besonderheit dabei: Der Lebensgarten versteht sich als Teil der Bewegung für eine solidarische Wirtschaftsweise, mittlerweile weltweit bekannt als Community Supported Agriculture (CSA). Die Vereinsmitglieder finanzieren durch einen im Voraus kalkulierten kostendeckenden Jahresbeitrag die angestellten drei gärtnerischen Fachkräfte und alle können auf freiwilliger Basis zu festgesetzten Zeiten tatkräftig mitgärtnern. Ihr Benefit: Die gesamte Ernte wird direkt ohne den üblichen Marktweg unter den Mitgliedern aufgeteilt.

Peter Volz, Vorstandsmitglied der Agronauten, wies in seiner Begrüßung der über 30 Besucher angesichts des globalen Ressourcenraubbaus auf die Notwendigkeit einer neuen gesellschaftlichen Auseinandersetzung über die Zukunft der Ernährungs- und Landwirtschaft hin. Damit dies nicht nur trockene Theorie bleibt, „wollen wir heute hier vor Ort mit allen Sinnen erfahren, was biologische Kulturpflanzenvielfalt bedeutet“.

Zunächst führte Steffi Kolarov, eine der drei Gärtnerinnen des Lebensgartens, die Teilnehmer durch die Felder. „Wir verfolgen hier zur Bodenpflege konsequent den Demeter-Kreislaufgedanken“. Dazu gehören eigene Düngerproduktion durch Kompost und Ackerbohnenschrot und eine achtjährige Fruchtfolge, bei der die verschiedenen Sorten jedes Jahr eine Anbaufläche „weiter rutschen“. Neben den gängigen Gemüsen wachsen im Lebensgarten auch wieder verschiedene alte Bohnensorten und die bereits in der Antike angebaute Haferwurzel mit ihrem kernig-süßlichem Geschmack. Über die eigentliche Feldarbeit hinaus leiten die gärtnerischen Profis auf einem Teil der Fläche den Schulgarten der Freien Schule Dreisamtal, in dem die Schüler durch regelmäßige Beetpflege in frühestem Alter hautnah das pflanzliche Wachstum begleiten. Zahlreiche fachliche Führungen durch den Lebensgarten gehören ebenso zu ihrem Alltag wie auch die Präsentation von Beispielen zur urbanen Selbstversorgung durch Elemente der Permakultur.

Unterdessen hatte der französische Koch Guillaume Montaigu ein köstliches vegetarisch-veganes „Vielfalts-Menü“ in drei Gängen für die Gäste vorbereitet. Dazu wurden passende Weine vom Weingut Andreas Dilger aus Freiburg serviert. Dilger hat als erster Winzer in Deutschland vor zwölf Jahren auf ausschließlich robuste Rebsorten umgestellt. Das sind durch Kreuzungen mit alten Wildsorten entstandene Reben, bei denen chemischer Pflanzenschutz überflüssig ist. Dadurch können in seinen Rebgassen durch Gründüngungseinsaat von Kräutern, Blumen und Gräsern ökologische Inseln für Nutzinsekten entstehen.

Jörgen Beckmann, Biologe und seit vielen Jahren ausgewiesener Fachmann für Agrobiodiversität und ebenfalls Vorstandsmitglied der Agronauten, veranschaulichte dann in einem Kurzvortrag die Dramatik der Artenreduktion in der globalen Landwirtschaft seit der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts. Mittlerweile seien 90 Prozent der in der Menschheitsgeschichte bekannten Kulturpflanzenarten verschwunden. In Indien würden von ehemals 30 000 Reissorten heute nur noch sieben angebaut.

Ähnlich sei es bei Tomaten, von denen es ebenfalls einmal mehrere tausend Sorten gegeben hätte. Alle weltweit konventionell hergestellten und verarbeiteten Lebensmittel bestünden heute zu 80 Prozent in der einen oder anderem Form aus Mais, Weizen und Soja.

Quelle: Badische Zeitung, Mittwoch 02. September 2015

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